Bodensee, August 2022
Ein spontanes Wochenende am Bodensee
Ich war tatsächlich noch nie dort, hörte nur Gutes und wollte diese Reiselücke unbedingt schließen. Ein guter Freund zog kürzlich ganz in die Nähe ins Allgäu. Gerne wollte er mich auf meiner Radtour begleiten. Gesagt, getan. Nach sehr langer Suche, da die Region fast komplett ausgebucht war, zwei Zimmer gebucht, E-Bike vorreserviert und eine Woche später ging es los.
1 • Bayrisches Lindau und österreichischer Almdudler
Hotel in Friedrichshafen, Treffpunkt und freudiges Wiedersehen nach zwei Jahren an der Uferpromenade. Den Nachmittag verbrachten wir in Lindau, auf der Altstadtinsel. Lindau befindet sich übrigens im Bundesland Bayern. Bummel durch die wunderschöne Altstadt zum Hafen. Im Internet las ich schon vorher von einem kleinen besonders schönen Café, etwas abseits gelegen. Das Augustin. Ein Café und Buchladen, gemütlich eingerichtet. Der Kuchen selbstgemacht, köstlich. Zu meiner großen Freude gab es die Kräuterlimonade „Almdudler“. Ewig nicht getrunken und die Erinnerungen an die Österreich Urlaube mit meiner Familie kamen wieder.
2 • Segel, Wind, Weiß, Teak
Zurück Richtung Hafen sah ich schon von weitem ein besonders auffälliges Gebäude mit viel Glas und Stahlverstrebungen. Das konnte eigentlich nur das Restaurant Tinos Mole 3 sein, von dem ich auch schon im Internet gelesen hatte. Das wollte ich mir unbedingt angesehen, die Lage fantastisch und die Architektur ebenso. In diesem Gebäude befindet sich auch der Segelclub von Lindau. Leider hatten wir Pech mit dem Essen. Es war wirklich nicht gut. Doch würde ich beim nächsten Lindau Besuch diesem Restaurant eine zweite Chance geben. Die Lage direkt am Wasser ist einfach umwerfend. Zu unserem großen Glück konnten wir auf der gegenüberliegenden Mole offenbar das Sommerfest des Segelclubs beobachten, alles Mitglieder in weiß gekleidet. Ein zusätzlich schöner Anblick.
3 • Stimmungsvoller Abend mit Löwe und Leuchtturm
Noch ein Spaziergang zur anderen Seite des Hafens. Dort gibt es ebenfalls direkt am Wasser gelegen einen Biergarten und angeschlossen auch ein Restaurant. Doch die einzigartige Atmosphäre des Restaurants „Tinos Mole 3“ hatte es nach meinem Geschmack hier nicht. Ein letztes Getränk am Hafen mit fantastischem Blick auf die Hafeneinfahrt mit der Statue des Bayrischen Löwen und dem steinernen Lindauer Leuchtturm beendete unseren ersten Tag am Bodensee.
4 • Konzert, Fähre, Kurtisane
Die nächsten zwei Tage verbrachten wir auf dem Rad. Von Friedrichshafen Richtung Nordwest, wir blieben also in Baden-Württemberg. Auch heute war der Himmel stark bewölkt, allerdings fiel kein Regen. Erster kurzer Halt in Meersburg. Dort wurden wir von dem Auftritt vier Alphornbläser überrascht. Fotos, Video und wir erfuhren, dass die Herren nicht aus der Schweiz kommen, auch nicht aus Bayern, sondern Baden-Württemberger sind, die diese Musik schon seit vielen Jahren als Hobby praktizieren. Nun machten wir uns zügig auf den Weg zur Fähre nach Konstanz. Am anderen Ufer angekommen fuhren wir gut 4 km bis zum Hafen von Konstanz. Dort begrüßte uns schon von weitem die Statue Imperia von Peter Lenk von 1993. Sie dreht sich in vier Minuten einmal um ihre Achse. Gezeigt wird eine Kurtisane, die eine Narrenkappe trägt und zwei Figuren auf ihren Händen hält. Einen Kaiser und einen Papst. Sie ist eine satirische Anspielung auf das Konzil von Konstanz (1414-1418 Versammlung der Kirchenführung in Konstanz um die Einheit der Kirche wiederherzustellen, notwendige Reformen vorzunehmen und die Ketzerei zu bekämpfen). Diese Zeit war auch die Blütezeit der Kurtisanen. Neben dieser Mätressenherrschaft wird hier auch das Patriachat auf die Schippe genommen. Die mächtigsten Männer dieser Zeit, von ihren Trieben gesteuert, sind der Mätresse nackt und hilflos ausgeliefert und daher lächerliche Witzfiguren. Tolle Geschichte! Später trafen wir noch auf weitere Peter Lenk Figuren, auch Brunnen. Es gibt auch einen Peter Lenk Brunnen in Konstanz. Das wusste ich nicht und den habe ich verpasst. Schade!
Kurze Erfrischung in der Altstadt im PANO – Brot & Café, Tipp meines Begleiters. Die Inneneinrichtung gefiel mir richtig gut. In dem einen Teil des Cafés ist oben direkt unterhalb der Decke das Wort Brot in allen Sprachen der Welt zu lesen. Was für eine schöne Idee.
5 • Die Geschichte liegt auf der Straße
Nun schlenderten wir kreuz und quer durch die Altstadt. Besonders schön der Kaiserbrunnen, der 1990 vom Ehepaar Rumpf neu gestaltet wurde mit Anspielungen an das Konstanzer Konzil (1414 bis 1418). Der dreiköpfige Pfau mit Papstkronen symbolisiert den Anspruch aller drei Päpste zur Zeit des Konzils von Konstanz auf den Heiligen Stuhl. Die Seehasen sollen Mischwesen sein, halb Fisch, halb Hasen, die angeblich vor Konstanz im Bodensee leben. Dahinter das Haus Zum Wolf von 1774 mit Rokoko-Fassade. Uns fiel die Fassade des Hotels Graf Zeppelin auf. Grundsteinlegung 1835, damals hieß es Deutsches Haus und sollte mit den Verzierungen und Details, wie der Reichsadler aus der Wilhelminischen Zeit und das Konstanzer Stadtwappen, die deutsche Geschichte und Regionalgeschichte darstellen. Seit 1965 wurde es in Hotel Graf Zeppelin umbenannt und erinnert so an den Pionier der Luftschifffahrt, Ferdinand Graf von Zeppelin, der 1938 in Konstanz geboren wurde. Kurz davor waren drei Gemälde an einer Hauswand nicht zu übersehen. Auf der Tafel stand u.a., dass hier vom Balkon aus Friedrich Hecker am 12.4.1848, die erste deutsche Republik ausrief. Da war uns völlig neu. Zu Hause las ich Folgendes nach: Friedrich Hecker, badischer Revolutionsführer und Radikaldemokrat wollte die Monarchie stürzen und eine Republik errichten. Er zog mit einer Gruppe von mehreren hundert Bewaffneten von Konstanz nach Karlsruhe, um die Regierung zu stürzen, was ihm aber nicht gelang. Dass er von diesem Balkon die Republik ausrief, bleibt umstritten. Aha. Wieder etwas gelernt!
6 • Köstlicher Fisch am schönsten Platz am Bodensee
Mit dem Rad fuhren wir schnell mal über die Grenze in die Schweiz (Kreuzlingen). Dort herrschte fast gespenstische Ruhe, kaum Spaziergänger und Autos, ganz im Gegensatz zu dem turbulenten Konstanz. Aber gut es war Sonntag und wir waren im Außenbezirk der Stadt Kreuzlingen. In Konstanz nahmen wir die Fähre zurück nach Meersburg, liefen die Uferpromenade entlang und ließen uns das erste Bierchen des Tages an einem wunderschönen Platz direkt am Bodensee schmecken. Die letzte Etappe sollte das Restaurant Rebgut Haltnau sein. Es liegt zwischen Meersburg und Haltnau. Auch das hatte ich im Internet entdeckt und es war ein Glücksfall. Für mich der schönste Platz am Bodensee. Restaurant mit Terrasse, Biergarten, kleinem „Strandbereich“ am See. Herrlich. Wir aßen köstliches Zanderfilet. Dann mussten wir uns richtig sputen. Es war schon spät und es warteten noch 15 km Radstrecke bis nach Friedrichshafen auf uns.
7 • Die Sonne lacht und lädt zum Fotografieren ein
Letzter Tag, endlich schien die Sonne, kein Wölkchen am Himmel und heute war unser Ziel Überlingen. Zum Glück war mein Bekannter einverstanden, dass wir die Räder bis nach Immenstaad mit dem Auto transportieren. Von dort dann mit dem Rad über Meersburg nach Überlingen. Insgesamt nur 21 km. Ich hatte aber zwei Gründe für meinen Vorschlag. Zum einen tat mir mein „Pöppes“ weh vom Tag vorher. Zum anderen ist die Strecke zwischen Friedrichshafen und Immenstaad nicht wirklich schön zu fahren. Nämlich nicht am Bodensee entlang, sondern an der Bundesstraße, den See kann man gar nicht sehen. Das gefiel mir als „Touristenbikerin“, wie mein Begleiter mich nannte, natürlich gar nicht. Er ist übrigens Triathlet und konnte überhaupt nicht verstehen, dass mich das Radfahren anstrengt, da ich ja nun auf einem E-Bike fuhr. Aber er ist ein geduldiger, verständnisvoller Mensch und folgte meinem Wunsch. Danke! Nun lag eine herrliche Strecke vor uns. Erster Stopp in Hagnau am Hafen, von wo man einen wunderbaren Blick auf Meersburg hat und weiter zum Fototermin bei Sonnenschein zu unserem Lieblingsort, dem Rebgut Haltnau.
8 • Es wird magisch
In Meersburg im Hafen besichtigten wir die Magische Säule des Peter Lenk von 2007. Schon wieder dieser Peter Lenk, dachte ich mir. Und las nach. Hier werden bekannte Persönlichkeiten der Meersburger Stadtgeschichte dargestellt. Also im Vergleich zur „Imperia“ im Konstanzer Hafen relativ harmlos. Außergewöhnlich fand ich die Figur an der Basis der Säule. Es soll den Exorzisten Johann Joseph Gaßner (1729-1779) darstellen, dem die Teufel tatsächlich aus dem Körper fahren. Übrigens, ein wunderschöner Platz für eine Pause. Der Bodensee auf der einen und der Hafen auf der anderen Seite mit dem Staatsweingut Meersburg und der Altstadt im Hintergrund.
9 • Es muss nicht immer ein Restaurant sein
Kreuz und quer durch Meersburg, wie gesagt heute mit Fotos, und weiter Richtung Überlingen. Die Radstrecke veränderte sich hier und da, mal kurze Waldstücke, Streuobstwiesen, Getreidefelder, aber immer den Bodensee im Hintergrund zu sehen. Wunderschön. Kurz nach dem Ortsschild Uhldingen fuhren wir an einem kleinen Imbiss vorbei und machten sofort wieder kehrt. Es sah so einladend aus und vor allem gab es dort frischen Bodenseefisch. Es ist das Häfeli in Uhldingen-Mühlhofen. Endlich wollten wir mal diesen Fisch probieren, obwohl wir überhaupt nicht hungrig waren. Ein ganzes Filet, weder frisch noch geräuchert, konnten wir leider nicht bekommen. Uns wurde erklärt, dass der Fischer im Moment nicht liefern kann. Es sei noch nie so wenig Fisch im Bodensee gefangen worden wie in diesem Jahr. Daher bieten sie den Bodenseefisch, es handelt sich um Felchen, nur als kleine Portion auf dem Dinnele an. Schade, aber auch das mussten wir probieren. Das Dinnele aus dem Holzofen hat schwäbisch-alemannischen Ursprung. Es besteht aus Weizen, Roggen, Dinkelvollkorn, Wasser, Hefe und Salz und wird mit Sauerrahm und in unserem Falle dann mit Stücken vom Bodenseefisch serviert. War köstlich. Diesen Imbiss kann ich nur empfehlen.
In Uhldingen befinden sich auch die berühmten Pfahlhäuser, die in einem Freilichtmuseum auf einem Rundgang zu besichtigen sind. Zwei Häuser wurden 1922 entdeckt und aufwendig restauriert. Diese Häuser stammen aus der Stein- und Bronzezeit. Die archäologischen Funde befanden sich so gut erhalten im Schlamm unter Wasser, dass sich daraus hervorragende Rekonstruktionsmöglichkeiten ergaben und ein ganzes Dorf nachgebaut werden konnte. Diese Pfahlbauten gehören seit 2011 zum UNESCO Weltkulturerbe.
10 • Wunderschönes Überlingen und wer ist Peter Lenk?
Trotzdem fuhren wir erst einmal weiter und planten die Besichtigung für den Rückweg. Überlingen gefällt mir ebenfalls sehr gut. Eine hübsche Altstadt, ein beeindruckendes Münster, schöne Patrizierhäuser und mit 5 km die längste Uferpromenade am Bodensee. Und welcher „alte Freund“ begegnete mir hier schon wieder? Peter Lenk. Als ich von weitem den Brunnen sah, war ich mir sofort sicher, dass es wieder ein Kunstwerk von ihm ist. Der Bodenseereiter, 1999 errichtet. Das Denkmal, angelehnt an die Ballade von Gustav Schwab, gilt als Karikatur für den am Ort ansässigen Dichter Martin Walser und soll eine Antwort sein auf die Rede, die Martin Walser 1998 in der Frankfurter Paulskirche anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels hielt. Mit im Brunnenensemble zwei Bankdirektoren und die Schwiegermutter. Martin Walser ist bis heute „not amused“.
Wer ist dieser Peter Lenk? Ein deutscher Bildhauer, 1947 in Nürnberg geboren und wohnhaft in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Er stellt auf satirische Art von ihm empfundene Missstände dar. Seine Werke stoßen oft auf heftige Kritik, da er bewusst Tabus verletzt. Laut seiner Aussage sei sein Schaffen nur in Deutschland möglich, da die Deutschen noch am ehesten zur Selbstironie fähig seien und auch tolerant genug, um Provokationen zu ertragen und zu verstehen.
Der Blick auf die Uhr sagte uns, dass Eile geboten ist, da ich heute noch meine Heimreise antreten musste. Die Warteschlange vor dem Freilichtmuseum mit den Pfahlbauten war so lang, dass wir diesen Besuch nun doch auf ein anderes Mal verschieben mussten. Ein letztes Getränk, schon wieder im Rebgut Hagnau, noch mal 20 Minuten beim leichten Wellengang Seele baumeln lassen, kurze Strecke mit dem Rad zum Parkplatz, mit dem Auto nach Friedrichshafen, Rad zurückgeben, von meinem guten Freund Abschied nehmen und um 18 Uhr im Auto unterwegs zurück in den Taunus.
Das waren wunderbare Tage. Wie oft wundere ich mich, dass nur zwei Übernachtungen nötig sind, um in eine „andere Welt“ einzutauchen und so viel Eindrücke mitzunehmen. Das sollte ich wirklich öfter machen. Bei meinem nächsten Bodenseebesuch nehme ich mir gleich eine Unterkunft rund um Hagnau. Radele wieder nach Meersburg, Überlingen und Konstanz und fahre mit dem Auto nach Lindau und dann vielleicht weiter nach Bregenz. Da würde sich dann auch ein Besuch der Bregenzer Festspiele mit der fantastischen weltbekannten Seebühne anbieten. Mal sehen…