Museumsfest arp museum, 14. Mai 2023
Das arp museum Bahnhof Rolandseck veranstaltet ein Museumsfest.
Diesem Tipp meiner Freundin aus Köln folgte ich gerne. Kurz nachgeschaut, das Museum liegt in Remagen, nur 1,5 Stunden entfernt, also eine ideale Entfernung für einen Tagesausflug. So konnte ich meine Freundin wiedersehen und gleichzeitig auf Entdeckungsreise gehen.
Vor der Abfahrt las ich mich noch ein und kam aus dem Staunen nicht heraus. Da erwartete mich wohl etwas ganz Besonderes.
1 • Die Geschichte des Bahnhofes
Im 19. Jahrhundert war der Rhein als Ausflugsziel sehr beliebt, man sprach von der sogenannten Rheinromantik. An dieser Stelle am Rolandsbogen mit Drachenfels, Burg Rolandseck und Burg Stolzenfels wurde nun eine Bahnhaltestelle mit prachtvollem Bahnhofsgebäude gebaut und 1858 fertiggestellt. Es wurde zum Treffpunkt der damaligen Prominenz, u.a. Königin Viktoria von England, Otto von Bismarck, Brüder Grimm, Nietzsche, Brahms, Schumann.
Vom Abriss bedroht überzeugte der Galerist Johannes Wasmuth 1964 mit seinem Plan das Gebäude als Wohnung, Galerie und Atelier für Künstler zu nutzen. Nun wurde der Bahnhof zum kulturellen Zentrum und Heimat für Künstler wie Kokoschka, Arp, Menuhin, Richter, Walser, Marcel Marceau.
Seit 1970 entwickelte sich der Bahnhof immer mehr zum Museum, da ein Teil des Nachlasses des Künstlerpaars Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp in den Bahnhof gelangten. Schon zu diesem Zeitpunkt entstanden Pläne, den Bahnhof mit einem Neubau zu erweitern. Erst im Jahr 2000, als die Finanzierung gesichert war, wurde das arp museum offiziell eröffnet und parallel wurde mit den Renovierungsarbeiten und dem Anbau begonnen. Kein Geringerer als der amerikanische Stararchitekt Richard Meier konnte für diesen Auftrag gewonnen werden.
2 • Das Museumsfest
Dieser Tag war ein Besonderer, denn die Werke des Künstlerpaares Arp aus dem umfangreichen Sammlungsbestandes des Museums werden hier von nun an dauerhaft präsentiert. Bei freiem Eintritt wurde an diesem Tag ein beeindruckendes Programm geboten. Führungen, diverse Workshops, Tanz- und Musikgruppen und ein Mitmachzirkus.
3 • Architektur, Constellations und Schlange
Ich betrat nun das Bahnhofsgebäude und gelangte vom Foyer geradeaus zu dem ersten Tunnel, der unter den Bahngleisen hindurchführt. Hier liest man ein Spruchband, eine Aussage von Sophie Taeuber-Arp von 1922 „Regeln lassen sich nicht aufstellen, weder bei den Formen noch bei den Farben“. Das hört sich doch schon einmal gut an!
Vorbei an den Bildern des Künstlers Michael Craig-Martin kam ich in den 2. Tunnel, der 35 Meter tief in den Berg hineinführt. Dort befindet sich die Lichtinstallation „Kaa, die Schlange“ von Barbara Trautmann, die mir besonders gut gefiel. Durch Zufall lief beim Fotografieren eine Besucherin mit Fächer vorbei. Und schon entsteht neue Kunst!
Von dort gelangte ich zum Aufzugturm, der in den Neubau von Richard Meier führt. Hier fiel mir auf, dass die Wände des Aufzugsturms nicht verkleidet sind, so dass man die Spuren der riesigen Holzbohrer sehen kann. Auf dem Rückweg lief ich die 230 Stufen zu Fuß hinunter und konnte die Dimensionen der ausgegossenen Bohrkerne von der Nähe bestaunen.
4 • Tanz-Interventionen
Im Neubau angekommen hatte ich das Glück, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt zu einer der Tanz Interventionen mit Anna-Lu Masch kam. Die Gruppe in ihrer Kleidung und mit ihren Bewegungen passte perfekt in die Umgebung. Videos, Fotos in allen Formaten mussten sein. Diesen Moment wollte ich unbedingt festhalten und genau treffen.
Auf dieser Ebene stellt zurzeit die Künstlerin Franziska Nast ihre Werke aus. Thema ihrer Ausstellung ist die Transformation, die sie anhand von Zeichnungen, Laserkopien, Tätowierungen, Skulpturen, Fotografieren und mehr hier ausstellt.
5 • Dauerausstellung Arp
Eine Etage höher kommt man zur Ausstellung der Namensgeber dieses Museums, des Künstlerpaares Arp. Hier verbrachte ich sehr lange Zeit, denn sowohl die Kunstwerke als auch die Art, wie sie in Szene gesetzt wurden (die grüne Wand und der rote Polsterhocker), verschlugen mir fast die Sprache. Das Fotografenherz schlug ganz hoch!
Es sind 102 Werke aus den Jahren 1914-1965 ausgestellt. Frühe Werke stammen aus dem Dadaismus. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die beiden Künstler und aus dem Protest gegen die „Schlächtereien aus dem Ersten Weltkrieg“ entstanden. Sie suchten einen radikalen Neuanfang und drückten in ihrer Kunst freiheitliche und grenzüberschreitenden Formen aus.
6 • Dadaismus
Hier ein kleiner Bogen zum Dadaismus. Wie lange hatte ich mich mit diesem Thema nicht mehr beschäftigt. Daher stieg ich tief in dieses Thema ein. Nur kurz: Im Ersten Weltkrieg 1916 in Zürich gegründet, bildete sich eine Gruppe von geflüchteten Exilanten, die konsequente Gegner des Krieges waren. Ihr Ziel: eine totale künstlerische Revolte. Mit ihrer teils ironischen „Antikunst“, u.a. Lautgedichte, die keinen Sinn ergaben, wollten sie die Sinnlosigkeit und das irrationale Abschlachten des Krieges untermauern. Hans Arp war einer der Mitbegründer der Dada Bewegung, die später internationale Verbreitung fand. Dada hat starke Impulse gesetzt für die Kunst der Moderne und der heutigen, zeitgenössischen Kunst.
7 • Sophie Taeuber-Arp
Sophie Taeuber-Arp suchte in ihren Arbeiten nach einer universellen Sicht auf die Kunst in Verbindung mit den gesellschaftlichen Fragen der Zeit. Sie war Malerin, Bildhauerin, Textil-Gestalterin, Innenarchitektin und Tänzerin. Mit ihren Arbeiten stand sie dem Gedanken des Bauhauses nah. Sophie Taueber-Arp zählt zu den ersten international erfolgreichen Frauen der modernen Kunst.
Eine Sonderkapitel in dieser Ausstellung sind die Marionetten von Sophie Taeuber-Arp, die sie 1918 für das Puppenspiel „König Hirsch“ entwarf. Sie sind in ihren Bewegungen in einem Film zu sehen. An einer anderen Stelle in diesem Raum werden virtuelle Abbilder der Marionetten in einem magischen Spiegel durch eigene Körperbewegungen zum Tanzen gebracht. Geniale Idee und Umsetzung in Kooperation mit dem Fachbereich Gestaltung der Hochschule Mainz. Ich würde sagen, wirklich gelungen und ein Publikumsmagnet.
8 • Hans Arp
Hans Arp war Maler, Grafiker, Bildhauer und Dichter. Er hatte eine Vorliebe für elementare Formen und Symbole. Hier in der Ausstellung habe ich lange seine Bronze Skulpturen bewundert. Mit ihren weichen schmeichelnden Formen, kein Wunder, dass sie Handschmeichler genannt werden, sind sie wirklich wunderschön.
Der Nabel, die Urform des Ovals, stand bei seinen Arbeiten immer im Zentrum. Den Nabel, wie auch das Ei, sieht er als Sinnbild für den Ursprung allen Lebens.
Die Verbindung zur Natur und deren stetige Veränderung, die Metamorphose, wurden zu bestimmenden Ideen seiner Kunst. Beeindruckend, wie wunderbar der Architekt Richard Meier, diesen Bezug zur Natur mit der transparenten Bauweise des Hauses, die den Blick großzügig nach draußen freigibt, auffängt.
9 • Macht Mit!
Gut angenommen wurde auch die „Mitmachwand“. Hier haben die Museumsgäste die Möglichkeit, ihre Wünsche, über welche Objekte sie gerne mehr erfahren möchten, zu notieren. Auch können sie sich spielerisch und kreativ mit den poetischen Wortschöpfungen Hans Arps auseinandersetzen.
10 • arp labor und holländische Malerei
Voller Eindrücke ging ich zurück ins Bahnhofsgebäude und wie schon gesagt statt mit dem Aufzug lief ich die 230 Stufen zu Fuß hinunter. Das empfehle ich jedem Besucher. Es ist sehr eindrucksvoll, diese enorm großen Bohrkerne so nah vor sich sehen zu können.
In der ersten Etage befindet sich das arp labor. In dieser offenen Werkstatt werden Workshops für Kindergärten, Schulklassen, Kinder– und Erwachsenengruppen angeboten. Das Thema des heutigen Tages war „Dada Masken“. Die Kinder und auch Erwachsenen waren in vollem Einsatz. Ein wirklich tolles Angebot, das ab sofort auch sonntags angeboten wird.
Auf dieser Etage geht es ebenfalls zur Ausstellung „Goldene Zeiten der holländischen Malerei“. Davor die Möglichkeit, sich mit Kostümen aus dieser Zeit vor einer entsprechenden Kulisse fotografieren zu lassen. Die Ausstellung besuchte ich nicht. Der Kontrast zu dem bisher Gesehenen war mir zu groß bzw. mein Kopf war zu voll mit den wunderbaren Eindrücken, die ich schon aufgenommen hatte.
11 • Noch ein Highlight zum Schluss!
Nun hatte ich nur noch einen Teil des Museums nicht gesehen. Dort war ich zum Abschluss meines Rundgangs mit meiner Freundin verabredet: Die Bar und das Restaurant in der zweiten Etage des historischen Bahnhofsgebäudes. Wow, darf ich sagen, das Beste kommt zum Schluss? Nein, das wäre nicht richtig, aber dieses Juwel muss man gesehen haben.
Das Restaurant Interieur No. 253, ehemals der 1. Klasse Wartesaal des Bahnhofs, bietet einen wunderschönen historischen Festsaal aus dem 19. Jahrhundert mit Stuckdecke und Kristallleuchtern, das Mobiliar ganz schlicht gehalten. Diese Kombination besticht.
Davor ein ganz außergewöhnlicher herrlich bunter Barbereich, gestaltet vom Berliner Künstler Anton Henning. Leuchtende Sitzbänke, bunte Glasfenster und ausgefallene Gemälde. Sofort stach mir ein Bild ins Auge. Ein Kotelett und quer darüber ein Filet. Titel: Bicycle seat and handlebars. Klasse!
Die Terrasse auf voller Länge des Restaurants mit wunderschönem Blick auf den Rhein zählt zu den Schönsten am Rhein, so meine Freundin.
Diese Mal bleiben wir nicht zum Abendessen, Kaffee und Kuchen mussten reichen. Beim neugierigen Blick in die Speisekarte war uns klar, hierhin werde wir bald zurückkehren und dann in dieser einzigartigen Atmosphäre einen genussvollen Mittag oder Abend verbringen.
Ich kann den Besuch dieses Museums wirklich jedem ans Herz legen. Es ist ein Kleinod, ein wirklicher „Trüffel“. Die Kombination aus Kunst, Architektur, Workshops und einem wunderschönen Restaurant mit Bar und Terrasse mit bestem Blick auf den Rhein ist die Anfahrt auf jeden Fall wert. Entweder mit dem Auto oder mit dem Zug bis direkt vor die Haustür. Besser geht’s nicht.
Für alle, die mehr und tiefergehende Informationen zu allen Themen in diesem Blog erhalten möchten, empfehle ich die Webseite des arp museums.